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Kommentar in der IZ: "Digitalisierung" ist das, was früher "Nachhaltigkeit" war

Kommentar "Digitalisierung: Mut zum Experiment!" in der Immobilienzeitung vom 28.9.2017

 

Sind Sie schon am Sortieren der Expo-Termine? Bei Veranstaltungen mit der Silbe "tech" oder "Digitalisierung" im Titel haben Sie die Wahl aus 24 Stück. Zur Erinnerung: 2016 waren es erst elf Termine, 2014 nur drei. Genauso lief es einst mit dem Begriff "Nachhaltigkeit". Einem bewährten Gedanken folgten Jahre der Aufregung, dann die Etablierung.

 

Einem klassischen Muster folgt auch die momentane Abwehrhaltung - zerreden wir es mal. Eine Konferenz hier, eine "Initiative" dort und natürlich viele Studien, die belegen, dass - ja was eigentlich? Jeff Bezos hat wohl kaum sicherheitshalber mal eine Studie anfertigen lassen, bevor er aus seiner Garage heraus die ersten Bücher verkaufte. Ebenso fing er mit seinen Amazon Web Services (diese Sparte generiert inzwischen übrigens mehr als 70% des Konzerngewinns) auch nicht an, indem er unzählige Konferenzen zum Thema Cloud Computing besuchte - er hat es einfach mal ausprobiert.

 

Es ist schon leichter, über selbstbauende Gebäude und Blockchain-Grundbücher zu diskutieren, statt einfach etwas Winziges konkret zu wagen. Die Initiatoren auch kleiner Ideen sehen sich mit der bekannten Phalanx aus Bedenken "was, wenn das nicht funktioniert", "das kostet so viel" und "das müssen wir mal erst mit allen abstimmen" konfrontiert.

 

Manchmal braucht es doch wirklich nur ein Quäntchen Mut. Z.B. kann man heute Daten zu Wertgutachten oder zu operativem Property-Management standardisiert austauschen. Die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung hat die Formate dazu definiert und erste größere Häuser setzen dies schon effizienzfördernd ein - warum nicht auch mehr mittlere und kleine?

 

Noch erleben wir die Spätphase des Digitalisierungs-Hypes. Bald wird aber die Entwicklung von mehr Teilnehmern tatsächlich angenommen und Resultate, z.B. die erwähnte Effizienzsteigerung, liefern. Der Rest der Branche rüstet dann im Versuch, Schritt zu halten, hastig nach. Und dann folgt unser tägliches Tun ganz einfach den Prinzipien der Digitalisierung.

 

Wer wirklich mit der Zeit gehen möchte, sollte also nicht vor lauter Angst vor Fehlern vorsichtshalber mal nichts tun. Den großen allheilbringenden Wurf (zum Nulltarif, natürlich) gibt es sowieso nicht. Statt über große Schritte zu reden, lieber kleine Schritte gehen. Dann können Sie wagemutiger sein, Fehler begehen und den Kurs korrigieren. Dieser agile Ansatz hat sich auch im modernen Projektmanagement durchgesetzt - Sie kommen letztendlich schneller voran.

(Quelle: Immobilien Zeitung, 2017.)